Sind Sie in den Text eingestiegen? Dann liegt das wohl an einer Wahrheit, mit der Boulevard-Zeitungen seit jeher Auflage machen: only bad news are good news. Friede-Freude-Eierkuchen-Meldungen sind Journalisten und Content-Managern kaum eine Zeile wert. Die Ratio dahinter scheint simpel: Was gut läuft, verkauft sich nicht, erzeugt keine Klicks, bringt kaum Reichweite. Dabei will Logistik im Grunde ja nichts anderes als – eben – dass es gut läuft!
Social-Listening-Experten des IMWF Instituts für Management- und Wirtschaftsforschung wollen herausgefunden haben, dass Logistikunternehmen sehr häufig Prügelknabe der Nation sind. „Die Unternehmen geraten nicht nur besonders leicht und häufig durch massive Shitstorms in eine Kommunikationskrise“, beobachtet IMWF-Geschäftsführer Jörg Forthmann, sie hätten es auch „überdurchschnittlich schwer“, diese zu meistern. Dieses Schicksal würde die Logistik im Übrigen mit der Luftfahrt- und Lebensmittelbranche teilen. Und das liegt wohl daran, das die Branchen meistens in ein schlechtes Licht gesetzt werden (schlechte Tonalität) und sich das Gemecker dann in Windeseile über alle Kanäle verbreitet (hohe Viralität).
Da hätten es „begeisternde Branchen“ wie der Kraftfahrzeugmarkt und der Dienstleistungssektor besser: sie würden in der Tonalität, die in den sozialen Medien vorherrsche, erheblich besser abschneiden. Das will das IMWF mit einer KI-basierten Sentiment-Analyse von 438 Millionen deutschsprachiger Internetquellen inklusive redaktioneller Angebote und Social Media herausgefunden haben.
Ich frage mich: Warum hinterlässt ein Diesel-Skandal keine dunklen Flecken? Wieso führt Sozialdumping in vielen Dienstleistungsbereichen nicht zu Shitstorms? Und warum wird eine Branche – immerhin Deutschlands drittgrößte Industrie – immer wieder geteert und gefedert? Dies beantwortet die Studie leider nicht. Sie sagt eben nur, dass die Branche besonders häufig mit negativer Meinungsmache zu kämpfen habe.
Liegt das nun an Claus Weselsky? An den sich zuspitzenden Lieferengpässen? Oder an den LKW-Staus auf unseren Straßen? Vermutlich liegt es daran, dass Logistik überhaupt nur auffällt, wenn sie mal nicht funktioniert. Wenn das Paket nicht am nächsten Tag ankommt, Lieferzusagen platzen, Güter auf dem Abstellgleis landen. Tschüss Systemrelevanz, willkommen Hiobsbotschaft! Oder: only bad news are good news (siehe oben). Die Studienautoren empfehlen Reputationsmanagement als Ausweg, also heute kommen sehen, was morgen zum Shitstorm werden kann. Oder auch nicht. Mein Vorschlag: Üben wir uns in kommunikativer Bescheidenheit. Denn so wäre es schon eine gute Nachricht, wenn mal nichts über die Logistik berichtet würde.